Cyanidarten
Der Begriff Cyanid bezieht sich auf ein einzelnes geladenes Anion, das aus einem Kohlenstoff- und einem Stickstoffatom besteht, die durch eine Dreifachbindung verbunden sind, CN-. Die giftigste Form des Cyanids ist das freie Cyanid, das das Cyanid-Anion selbst und die Blausäure (HCN) in gasförmigem oder wässrigem Zustand enthält. Bei einem pH-Wert von 9,3 – 9,5 befinden sich CN- und HCN im Gleichgewicht, wobei beide in gleicher Menge vorhanden sind. Bei einem pH-Wert von 11 verbleiben über 99 % des Cyanids in Lösung als CN-, während bei pH 7 über 99 % des Cyanids als HCN vorliegen. Obwohl HCN in Wasser gut löslich ist, nimmt seine Löslichkeit mit steigender Temperatur und unter stark salzhaltigen Bedingungen ab. Sowohl das gasförmige als auch das flüssige HCN sind farblos und riechen nach Bittermandeln, obwohl nicht alle Personen den Geruch wahrnehmen können.
Cyanid ist sehr reaktiv und bildet einfache Salze mit Erdalkalikationen und Ionenkomplexe unterschiedlicher Stärke mit zahlreichen Metallkationen; die Stabilität dieser Salze hängt vom Kation und vom pH-Wert ab. Die Salze von Natrium-, Kalium- und Kalziumcyanid sind recht giftig, da sie in Wasser sehr gut löslich sind und sich daher leicht auflösen und freies Cyanid bilden. Die Betriebe erhalten Cyanid in der Regel als festes oder gelöstes NaCN oder Ca(CN)2. Schwache oder mäßig stabile Komplexe wie die von Cadmium, Kupfer und Zink werden als schwach säuredissoziierbar (WAD) eingestuft. Obwohl Metall-Cyanid-Komplexe an sich viel weniger giftig sind als freies Cyanid, setzt ihre Dissoziation freies Cyanid sowie das Metallkation frei, das ebenfalls giftig sein kann. Selbst im neutralen pH-Bereich der meisten Oberflächengewässer können WAD-Metall-Cyanid-Komplexe so weit dissoziieren, dass sie in ausreichend hohen Konzentrationen umweltschädlich sind.
Cyanid bildet mit Gold, Quecksilber, Kobalt und Eisen Komplexe, die selbst unter leicht sauren Bedingungen sehr stabil sind. Sowohl Ferro- als auch Eisen(III)-cyanide zersetzen sich jedoch unter Freisetzung von freiem Cyanid, wenn sie in wässriger Lösung direktem ultraviolettem Licht ausgesetzt werden. Dieser Zersetzungsprozess kehrt sich im Dunkeln um. Die Stabilität von Cyanidsalzen und -komplexen ist pH-abhängig, so dass ihre potenziellen Umweltauswirkungen und Wechselwirkungen (d. h. ihre akuten oder chronischen Wirkungen, ihre Abschwächung und Wiederfreisetzung) unterschiedlich sein können.
Metallcyanidkomplexe bilden auch salzartige Verbindungen mit Alkali- oder Schwermetallkationen, wie z. B. Kaliumferrocyanid (K4Fe(CN)6) oder Kupferferrocyanid (Cu2), deren Löslichkeit mit dem Metallcyanid und dem Kation variiert. Fast alle Alkalisalze von Eisencyaniden sind sehr gut löslich; beim Auflösen dissoziieren diese Doppelsalze und der freigesetzte Metallcyanidkomplex kann freies Cyanid bilden. Schwermetallsalze von Eisencyaniden bilden bei bestimmten pH-Werten unlösliche Niederschläge.
Das Cyanid-Ion verbindet sich auch mit Schwefel und bildet Thiocyanat, SCN-. Thiocyanat dissoziiert unter schwach sauren Bedingungen, wird aber in der Regel nicht als WAD-Spezies betrachtet, da es ähnliche Komplexierungseigenschaften wie Cyanid aufweist. Thiocyanat ist etwa siebenmal weniger giftig als Cyanwasserstoff, reizt aber die Lunge, da Thiocyanat chemisch und biologisch zu Carbonat, Sulfat und Ammoniak oxidiert.
Bei der Oxidation von Cyanid, entweder durch natürliche Prozesse oder durch die Behandlung cyanidhaltiger Abwässer, kann Cyanat, OCN-, entstehen. Cyanat ist weniger giftig als HCN und lässt sich leicht zu Ammoniak und Kohlendioxid hydrolysieren.
Cyanidierung
Das Verfahren zur Gewinnung von Gold aus Erzen mit Cyanid wird Cyanidierung genannt. Die Reaktion, die als Elsner-Gleichung bekannt ist, lautet:
4 Au + 8 CN- + O2 + 2 H2O = 4 Au(CN)2- + 4 OH-
Obwohl die Affinität von Cyanid für Gold so groß ist, dass es bevorzugt extrahiert wird, bildet Cyanid auch Komplexe mit anderen Metallen aus dem Erz, einschließlich Kupfer, Eisen und Zink. Die Bildung von stark gebundenen Komplexen, wie z. B. mit Eisen und Kupfer, bindet Cyanid, das ansonsten zur Lösung von Gold zur Verfügung stünde.
Kupfercyanide sind mäßig stabil; ihre Bildung kann sowohl betriebliche als auch ökologische Probleme verursachen, da Abwässer oder Rückstände aus solchen Betrieben erheblich höhere Cyanidkonzentrationen aufweisen können, als sie ohne Kupfer vorhanden wären.
Hohe Kupferkonzentrationen im Erz erhöhen die Kosten und verringern die Gewinnungseffizienz, da höhere Cyanideinsatzraten erforderlich sind, um das Reagenz zu kompensieren, das sich eher mit Kupfer als mit Gold verbindet.
Die Cyanidierung wird auch durch das Vorhandensein von freiem Schwefel oder Sulfidmineralien im Erz beeinträchtigt. Cyanid laugt bevorzugt Sulfidminerale aus und reagiert mit Schwefel unter Bildung von Thiocyanat. Diese Reaktionen verstärken auch die Oxidation reduzierter Schwefelspezies, wodurch die Notwendigkeit der Zugabe von Kalk steigt, um den pH-Wert auf einem ausreichenden Niveau zu halten und die Verflüchtigung von Cyanwasserstoff (HCN) zu vermeiden.