Aber wie bei den meisten Märchen ist auch hier eine dunkle Seite im Spiel, wie sich bei näherer Betrachtung ihrer Collagen aus Fotografien, Tagebuchfragmenten und Texten zeigt.

Die Schriftstellerin Anaïs Nin schrieb: „Wir schreiben, um das Leben zweimal zu schmecken, im Moment und in der Rückschau“, und es scheint, dass Tillmans Kunst nach einer ähnlichen Doktrin geschaffen wird. Ihre erste Einzelausstellung mit dem Titel Disco Ball Soul ist ein Beweis dafür. Sie besteht aus mehr als 90 kleinen Collagen, die über ein Jahrzehnt hinweg aus Fotografien und Tagebucheinträgen entstanden sind, sowie aus 14 großformatigen Fotografien.

Die Arbeiten bilden eine Art emotionale Dokumentation ihres Lebens von 2007 bis heute und beginnen in der Wüste von Arizona, wo der damalige Freund der Künstlerin in einem „bröckelnden Lehmhaus“ lebte, bevor das Paar ins ländliche Frankreich in ein ähnlich rudimentäres Haus ohne fließendes Wasser oder Strom zog. Auch dies erscheint in unserer Zeit, die die Idee eines einfacheren Lebens vergöttert – in der die Menschen für „digitales Detox“ bezahlen – wie ein Traum.

Wie ihre Werke andeuten, war die Realität oft weniger ein Traum als vielmehr ein Alptraum; allerdings mit einigen brillanten Anekdoten, die man den Enkeln erzählen kann: Tillman erinnert sich daran, wie sie Rote Bete und Kartoffeln von den Feldern stibitzte und am Strand nach Brennholz suchte. Andere Werke entstanden auf einer Autoreise des Paares nach Spanien und während der Solo-Reisen der Künstlerin nach Island.

Laut der Galerie 46, die die Ausstellung ausrichtet, wurden die Tagebücher und Fotografien, die Tillman seither für ihre Kunst verwendet, benutzt, um „das Vergehen der Zeit zu markieren und ihren Gedanken einen Sinn zu geben. Indem sie jeden Tag zweimal durchlebte, zuerst durch seine Erfahrung und dann durch das Fotografieren und Aufschreiben, versuchte Tillman, ihre eigene Welt zu erschaffen – eine, die sich von der außerhalb ihres Verstandes unterscheidet.“

Der schillernde Titel der Ausstellung ist eine Anspielung darauf, dass die Künstlerin ihre Arbeit als eine Art Maske benutzt; die Bilder, die sie macht, können jede beliebige Geschichte erzählen, die ihren Erfahrungen entsprechen kann oder auch nicht.

Im Jahr 2011 lernte Tillman ihren jetzigen Ehemann kennen – den Folk-spielenden Bartträger Josh (alias Father John Misty). Ihre gemeinsame Zeit wird genauso leidenschaftlich dokumentiert wie zuvor; die Künstlerin zeigt ihr Leben in LA, Pilztouren in der Wüste von Joshua Tree und Urlaube in Norwegen und Mexiko. An diesem Punkt beginnen wir uns zu fragen, ob sie nur angeben will.

Disco Ball Soul läuft vom 11. bis 30. August 2017 in der Gallery 46, 46 Ashfield Street, London E1 2AJ.

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