Henry Stack-Sullivan, der als Vater der interpersonellen Psychiatrie gilt, entwickelte die interpersonelle Theorie der Krankenpflege. Diese Theorie erläuterte die Rolle zwischenmenschlicher Beziehungen und sozialer Erfahrungen in Bezug auf die Formung der Persönlichkeit sowie die Bedeutung von Lebensereignissen für die Psychopathologie. Stack-Sullivans Theorie besagt, dass der Zweck des Verhaltens darin besteht, dass der Patient durch zwischenmenschliche Interaktionen seine Bedürfnisse befriedigt sowie Ängste abbaut oder vermeidet.
Die Interpersonelle Theorie erklärt sechs Entwicklungsstadien, die Stack-Sullivan als „Epochen“ oder heuristische Entwicklungsstadien bezeichnet.
Das erste Stadium, das so genannte Säuglingsalter, dauert von der Geburt bis zum Alter von achtzehn Monaten. Das Hauptmerkmal dieses Stadiums ist die Befriedigung von Bedürfnissen. Das zweite Stadium beginnt mit achtzehn Monaten und dauert bis zum sechsten Lebensjahr. Diese Phase, die Kindheit, ist durch verzögerte Befriedigung gekennzeichnet. Die Jugendphase, die zwischen dem sechsten und neunten Lebensjahr liegt, ist durch die Bildung einer Gleichaltrigengruppe gekennzeichnet. Die vierte Phase, die Präadoleszenz, liegt zwischen neun und zwölf Jahren. Sie ist durch die Entwicklung von Beziehungen innerhalb desselben Geschlechts gekennzeichnet. Die frühe Adoleszenz tritt zwischen zwölf und vierzehn Jahren ein. In dieser Phase entwickelt der Heranwachsende eine Identität. Die sechste Phase, die späte Adoleszenz, dauert von vierzehn bis einundzwanzig Jahren. Diese letzte Phase in Stack-Sullivans Pflegemodell ist durch die Bildung dauerhafter, intimer Beziehungen gekennzeichnet.
Die interpersonelle Theorie erklärt drei Arten des Selbst: das gute Ich, das schlechte Ich und das Nicht-Ich. Das „gute Ich“ im Gegensatz zum „schlechten Ich“ basiert auf der sozialen Bewertung und der Angst, die durch negative Rückmeldungen entsteht. Das „Nicht-Ich“ bezieht sich auf die unbekannte, verdrängte Komponente des Selbst.
Die Theorie von Stack-Sullivan erklärt auch Angst, Selbstsystem und Selbstwertgefühl. Sie besagt, dass Sicherheitsoperationen die Maßnahmen sind, die das Individuum einsetzt, um die Angst zu reduzieren und die Sicherheit zu erhöhen. Ein Selbstsystem ist die Gesamtheit der Sicherheitsmaßnahmen, die ein Individuum einsetzt, um sich gegen Ängste zu schützen und sein Selbstwertgefühl zu stärken.
Dieses Pflegemodell bildet die Grundlage für die interpersonelle Psychotherapie, die sich speziell an Patienten mit Depressionen und Schizophrenie richtet. Die Theorie besagt, dass sich Depressionen am häufigsten im Zusammenhang mit negativen Ereignissen, insbesondere Verlusten, entwickeln.