Eine alternative Betrachtungsweise des Willens betont den Prozess und nicht die Komponenten. In der Literatur lassen sich zwei stark divergierende Auffassungen von Willensprozessen unterscheiden. Nach einer Bottom-up-Ansicht sind willentliche Handlungen einfach das Ergebnis schwankender neuronaler Aktivitäten im motorischen System. Diese Sichtweise lehnt das Konzept von kausalen Auslösern oder Entscheidungen vor einer freiwilligen Handlung ab. Stattdessen kommt es zu Handlungen, wenn der Zufallsverlauf der neuronalen Aktivität einen Punkt ohne Wiederkehr oder eine motorische Schwelle überschreitet. Nach dieser Auffassung geschehen unsere freiwilligen Handlungen durch uns, anstatt dass wir sie verursachen. So haben Schurger et al. kürzlich argumentiert, dass das Bereitschaftspotenzial keine Ursache für freiwillige Handlungen ist, sondern lediglich eine Spur zufälliger neuronaler Aktivierung, die das motorische System gelegentlich an die Leistungsschwelle bringt. Bottom-up-Analysen des Willens müssen erklären, warum die neuronale Aktivierung schwankt. Neuronales Rauschen, das dem motorischen System innewohnt, ist eine Möglichkeit. Eine andere wäre ein spezieller Schaltkreis, der die oben beschriebene Generativitätskomponente implementiert. Bottom-up-Ansichten müssen entweder akzeptieren, dass freiwillige Handlungen nicht wirklich freiwillig, sondern lediglich zufällig sind, oder sie müssen eine zusätzliche Erklärung liefern, um den Willen von der Zufälligkeit zu unterscheiden. Eine Möglichkeit beruht auf einer Form des „freien Willens“. Diese Sichtweise akzeptiert die automatische Erzeugung von Handlungsimpulsen, geht aber davon aus, dass eine Form der hemmenden Kontrolle von oben nach unten verhindern kann, dass unerwünschte Impulse die motorische Leistung auslösen. Alternativ dazu könnte ein derzeit noch nicht identifizierter Mechanismus den Schwellenwert einstellen, bei dem zufällige neuronale Fluktuationen die motorische Leistung auslösen. Bei dieser Sichtweise würde der Wille nicht in erster Linie darin bestehen, zu entscheiden, was zu tun ist, sondern ein Kriterium dafür festzulegen, wann und ob es geschehen soll. Interessanterweise deuten neuere Arbeiten im Bereich der Metakognition darauf hin, dass die Festlegung von Kriterien eine sehr allgemeine Rolle bei der Steuerung bewusster Erfahrungen spielt. Wir vermuten, dass ähnliche metakognitive Prozesse möglicherweise zu dem bewussten Erleben von Absicht und Kontrolle beitragen, das mit einigen freiwilligen Handlungen einhergeht.
Die Top-down-Darstellung von Prozessen freiwilliger Handlungen ist Psychologen und Neurologen, die sich mit exekutiven Funktionen beschäftigen, vertraut. Klassische kognitive Modelle von kontrollierten Prozessen und überwachter Aufmerksamkeit lassen sich ohne weiteres in Modelle für freiwillige Handlungen umwandeln. Die meisten dieser Modelle gehen von einem bestimmten Reiz aus, der als Input für das Modell dient, während freiwillige Handlungen „intern erzeugt“ werden. Bei freiwilligen Handlungen kann die Komponente der Belohnung und Motivation an die Stelle der Anweisung oder des Reizes gesetzt werden. Modelle der Exekutivfunktion sind im Allgemeinen hierarchisch aufgebaut und betonen die übergeordnete Kontrolle. Außerdem vermeiden sie häufig die Auseinandersetzung mit Fragen des Bewusstseins, obwohl exekutive Prozesse im Allgemeinen von bewussten Erfahrungen begleitet werden. Aus diesen beiden Gründen laufen Top-down-Modelle von Willensprozessen Gefahr, homunkulär oder sogar dualistisch zu sein. Es liegt auf der Hand, dass bei der Willensbildung eine Mischung aus Bottom-up- und Top-down-Prozessen zum Tragen kommen kann. Wir hoffen, dass die künftige Forschung in diesem Bereich verstärkt auf Prozessmodelle zurückgreifen wird.
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